1.    Die ersten Schritte

Die Geschichte des Pestalozzihauses beginnt Ende des 19. Jahrhunderts, als in Winterthur die Bevölkerungszahlen rasant anstiegen. Das lag vor allem am hohen Bedarf an Arbeitskräften in der Industrie, aber auch an der Verelendung der selbstständigen Bauern und Gewerbearbeitern, die zu unselbstständigen Industriearbeitern wurden. Diese sogenannte Proletarisierung hatte zur Folge, dass die traditionellen Familienstrukturen zerfielen und Armut die Eltern in die Fabriken zwang. Die Elternfunktionen wurden zusehends vernachlässigt, und viele Kinder standen unbetreut auf der Strasse.

Die Gemeinnützige Gesellschaft des Bezirks Winterthur setzte sich für diese Kinder ein, indem sie die „Kommission zur Versorgung verwahrloster Kinder“ gründete. Um aber wie damals üblich, eine Anstalt mit mehr als 50 Zöglingen zu vermeiden, brachte die Kommission alle Kinder bei Pflegefamilien unter. Doch nach nur zehn Jahren mussten die Verantwortlichen der Kommission feststellen, dass viele Pflegeeltern mit der Erziehung überfordert waren und man doch eine Heimlösung suchen musste.

2.    Grundstückserwerb

Am 1.Mai 1900 wurde deshalb in Räterschen das „Landgut zum Felsenhof“ mitsamt der Landwirtschaft von der Gemeinnützigen Gesellschaft erworben, um eine „Anstalt für 17 bis 18 Knaben und vier bis fünf Mädchen“ einzurichten. Das Ziel, die meisten Kinder bei Pflegefamilien unterzubringen, wurde aber weiterhin verfolgt und blieb Aufgabe der Kommission bis ins Jahr 1955. Ebenfalls zu den Aufgaben zählte die Nachbetreuung der einmal „angenommenen“ Zöglinge, sodass in den ersten Jahrzehnten dauernd über 80 Kinder in Obhut standen.

3.    Pädagogik

Das wichtigste Prinzip des Heims sollte der Familiencharakter sein. Im Sinne Johann Heinrichs Pestalozzi (1746-1827) sollten die Kinder mit Kopf, Herz und Hand erzogen werden und ihre schlummernden Talente geweckt werden.

Mit dem Kauf der Landwirtschaft wurde dies zumindest teils ermöglicht. Die Kinder waren so zu jeder Zeit ausreichend beschäftigt und das Gefühl der Verantwortung und der Zusammengehörigkeit wurde gestärkt.

5.    Frühe Baupläne

1960 wurde ein grosses Bauvorhaben realisiert. Dazu gehörten der Bau des Lindenhofs mit Schlafräumen für Mädchen, einer Wohnung für die Lehrerschaft sowie ein neues Schulzimmer. Dazu kam eine 4-Zimmer- Wohnung für die Heimeltern im Felsenhof und allgemein die Verbesserung der sanitären Anlagen. Die Mehrbettzimmer wurden gemütlicher gemacht. Schon bald war jedem die gute Atmosphäre des Pestalozzihauses bekannt und auch die Kinder schienen glücklich zu sein.

6.    Der Weg zum anerkannten Schulheim

Ab 1970 wurden Heim und Schule dank neuer gesetzlicher Grundlagen vom Kanton subventioniert. In der Folge wurde 1971 ein Gesamterneuerungsplan für die kommenden Jahre erarbeitet . In diesem Kontext wurde 1975 das Wohnhaus Sonnenhof gebaut. Der Felsenhof wurde renoviert, blieb aber das architektonische Kernstück des Heims. Später dann, in den Neunzigerjahren, wurde auch der gesamte Bauernbetrieb erneuert.

7.    Vom Schulheim zum Pädagogischen Zentrum Pestalozzihaus

Im Zuge der schulpolitisch aufkeimenden Debatte um die schulische Integration von Kindern mit Schul- und Verhaltensschwierigkeiten in die Regelschule wurden alle Kleinklassen im Kanton Zürich abgeschafft.   Auch Schulheime und Sonderschulen betrachtete man als überholte Einrichtungen, die durch eine integrative Pädagogik ersetzt werden sollten. Die Realität entsprach aber nicht den bildungspolitischen Vorstellungen. Der Bedarf an Sonderschulplätzen hielt weiter an, nicht zuletzt aufgrund der Abschaffung von Kleinklassen.

Das Pädagogische Zentrum Pestalozzihaus reagierte auf diese Entwicklung, indem an verschiedenen Orten neue Sonderschulen gegründet wurden; in Eschenmosen 2001, in Räterschen 2005 und in Höri 2015.

Auch im Schulheimbereich hielt die Nachfrage an, entgegen den kantonalen Setzungen; sie stieg sogar! Das PZP erweiterte in der Folge sein Angebot. So wurden 2002 (Birkenhof) und 2011 (Kastanienhof) je eine neue Wohngruppe eröffnet. Zudem wurden neue Angebotsprofile geschaffen: externe Timeoutplätze für interne und externe Kinder sowie ab 2009 das Tagesbetreuungsprogramm „die wilde 13“. Dieses Programm entlastet Regelschulen vorübergehend, indem es Kinder im Pestalozzihaus beschult (Einzelunterricht) und beschäftigt.

Die laufende Expansion des Betriebs spiegelte sich in der Anzahl Mitarbeiter, die ab 2015 auf über 90 Personen anstieg.

Die Jahre nach der Jahrhundertwende waren aber auch in baulicher Hinsicht eine Zeit der Expansion. Die früheren Studios und Wohnungen der Mitarbeitenden nutzte man, um neue Einzelzimmer und Unterrichtsräume einzurichten. Im Jahre 2003 wurde zudem ein neuer Schulpavillon erstellt. Und zwei Jahre später wurde der Schulgemeinde Elsau das alte Sekundarschulhaus in Räterschen abgekauft, um die neue Tagesschule Räterschen und 2011 die neue Wohngruppe Kastanienhof einzurichten.

Spätestens jetzt erkannte man, dass zwingend Neubauten geplant werden mussten.

8.    Erneuerung der Infrastruktur

Die Trägerschaft entschied im Jahre 2011 die bauliche Substanz des PZP den aktuellen und künftigen Bedürfnissen anzupassen. Im Rahmen von zwei Bauphasen sollten die nicht mehr zeitgemässen Schul- und Wohngebäude durch Neubauten ersetzt werden und Platz geschaffen werden für künftige Entwicklungen. Da sich das PZP in der Landwirtschaftszone befindet, verbieten aber die gesetzlichen Bestimmungen den Neubau von Gebäuden nicht-landwirtschaftlicher Art. In der Folge musste in einem politischen Prozess mit der Ortsgemeinde Elsau in den Jahren 2014/15 ein privater Gestaltungsplan entwickelt werden, der die Vorgaben für zukünftige Neubauten gesetzlich neu festlegte.

In einer ersten Bauphase mussten die bestehenden, teilweise dysfunktionalen Schulräume, durch den Neubau eines Schulhauses ersetzt sowie zusätzlich ein Mehrzweckraum (Turnhalle/Aula) gebaut werden. Da für den Mehrzweckraum innerhalb des Perimeters kein Platz zur Verfügung stand, musste dieser in die bestehende alte Scheune eingebaut werden. Ein ambitiöses Unterfangen, denn die alte Scheune ist aus dem Jahre 1790 und steht unter Denkmalschutz! Das Jungvieh, die Pferde und Esel hatten die alte Scheune zu verlassen. Für sie wurde als Ersatz ausserhalb des Perimeters ein grosses Landwirtschaftsgebäude gebaut.

Im Jahre 2017 wurde mit dem Schulhausbau und dem Bau des Landwirtschaftsgebäudes begonnen und schon im August 2018 war es soweit: das Landwirtschaftsgebäude mit Jungvieh- und Pferdeboxen sowie das neue Schulhaus mit vier Klassenzimmern, Werk-, Lehrer-, Besprechungs-, Logopädie sowie Versorgungs- und Sanitärräumen konnten eingeweiht werden!

Kein Neubau, aber eine aufwändige Renovation betraf 2019 das Wohn- und Schulgebäude Kastanienhof. Es handelt sich um das ehemalige Sekundarschulhaus der Ortsgemeinde, ein historischer Zeuge des Heimatstils mit Elementen des Neuklassizismus. Die Zimmer, die sanitären Leitungen und die Heizung mussten saniert werden.

Für eine zweite Bauphase sieht der Gestaltungsplan vor, die bestehenden Wohnhäuser aus den 60er, bzw. 70er-Jahren abzubrechen und neu zu bauen. Davon ausgenommen ist das Haupthaus Felsenhof, das wie die alte Scheune ebenfalls unter Denkmalschutz steht. Die zweite Bauphase ist für die 2030er-Jahre angedacht!